Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Absatz 1 Nr. 1 StGB
Sie haben eine Anzeige oder Vorladung vor der Polizei wegen Diebstahls mit Waffen erhalten. Sie wollen nun wissen, was ein Diebstahl mit Waffen ist und wann man sich strafbar gemacht hat. Sie interessiert, ob bei einem Ladendiebstahl ein Taschenmesser, ein Cutter Messer, ein Haushaltsmesser oder eine Nagelschere eine Waffe darstellen kann und welches Strafmaß § 244 StGB bei einem Diebstahl mit Waffen vorsieht oder welche konkrete Strafe droht.
Der Diebstahl mit Waffen oder gefährlichen Werkzeugen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) kommt häufiger in der Praxis vor, als man auf den ersten Blick denkt. In § 244 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 1b StGB wird nämlich auch bestraft, wer bei dem Diebstahl ein gefährliches Werkzeug bei sich führt. Sollte das Werkzeug oder ein Mittel nicht gefährlich sein, ist für eine Strafbarkeit wegen Diebstahls mit Waffen ausreichend, wenn das Werkzeug oder der Gegenstand mitgeführt wird, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Eine tatsächliche Verwendung ist in beiden Fällen nicht erforderlich. Wann ein Diebstahl mit Waffen im Einzelfall vorliegt, ist oft nur schwer erkennbar.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin erläutert deshalb die wichtigsten Fragen und Probleme im Zusammenhang mit einem Diebstahl mit Waffen. Rechtsanwalt Dietrich hat eine langjährige Erfahrung als Strafverteidiger.
Nachfolgend beantwortet Ihnen Rechtsanwalt Dietrich insbesondere:
- Was ist Diebstahl mit Waffen und wann habe ich mich strafbar gemacht?
- Ich habe zu meinem Schutz immer eine Gaspistole einstecken. Liegt bei einem Ladendiebstahl dann Diebstahl mit Waffen vor?
- Als Polizist hatte ich meine Dienstwaffe dabei – werde ich auch wegen § 244 StGB bestraft?
- Ich hatte beim Ladendiebstahl in meinem Rucksack noch eine Holzfälleraxt einstecken. Liegt ein Diebstahl mit einem gefährlichen Werkzeug vor?
- Bei einem Einbruchsdiebstahl habe ich meine festen Arbeitsschutzschuhe angezogen. Können diese ein sonstiges Mittel sein, um den Widerstand einer Person zu überwinden?
- Ich hatte vergessen, dass ich ein Cuttermesser dabei habe –Hilft mir die Unwissenheit?
- Wann ist der Diebstahl mit Waffen nur versucht?
- Welche Strafe wird beim Diebstahl mit Waffen verhängt?
- Wann brauche ich anwaltliche Hilfe?
Was ist Diebstahl mit Waffen und wann habe ich mich strafbar gemacht?
Nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird bestraft, wer einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
- eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt oder
- sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden.
Für eine Strafbarkeit müssen alle Tatbestandsmerkmale des Diebstahls sowie einer der Alternativen des Diebstahls mit Waffen erfüllt sein.
Ich habe zu meinem Schutz immer eine Gaspistole einstecken. Liegt bei einem Ladendiebstahl dann Diebstahl mit Waffen vor?
Was Waffen im Sinne der Norm sind, wird an den Grundvorstellungen des Waffengesetzes und dem allgemeinen Sprachgebrauch festgemacht. Unter Waffen fallen Schusswaffen und auch alle Schlag-, Stoß-., Stich- und Hiebwaffen. So sind Schlagstöcke und Schlagringe sowie Kampfmesser Waffen im Sinne von § 244 StGB, weil sie dazu bestimmt sind, als Waffe eingesetzt zu werden.
Schusswaffen sind Gegenstände, bei denen Geschosse durch einen Lauf mit Bewegungsrichtung nach vorn getrieben werden und die dem Angriff oder der Verteidigung dienen. Hierunter fallen auch Schusswaffen, die zum Spiel, zur Jagd oder zum Sport gebraucht werden. Als Schusswaffen zählen auch Luftgewehre, Armbrüste und Harpunen.
Die Konstruktion der Gaspistole entscheidet darüber, ob eine Schreckschusswaffe als Waffe oder als gefährliches Werkzeug anzusehen ist. Gaspistolen zählen als Waffen, wenn aus ihnen Gaspatronen geschossen werden und das freigesetzte Gas nicht nur seitlich ausströmt.
Die Waffe muss einsatzbereit und gebrauchsbereit sein. Dafür reicht, wenn die Munition in der Tasche extra mitgenommen wird.
Ob die Waffe beim Diebstahl verwendet werden sollte, ist bei der Alternative der Nr. 1a unerheblich. Damit hat man sich im Beispielfall bei entsprechender Konstruktion der Gaspistole eines Diebstahls mit Waffen strafbar gemacht. Wenn die Gaspistole nur mit Platzpatronen gefüllt war, ist sie keine Waffe. Sie kann dann aber als gefährliches Werkzeug gelten.
Pfefferspray, Tierabwehrspray und CS-Gas zählen als Waffe, weil das Waffengesetz allgemein von „Reizstoffsprühgeräten“ spricht und diese zum Angriff oder zur Verteidigung bestimmt sind.
Es reicht, wenn bei einem gemeinschaftlichen Diebstahl ein Beteiligter, also auch ein Gehilfe oder Mittäter die Waffe am Tatort bei sich führt.
Keine Waffen sind Gegenstände, die nur als Angriffs- oder Verteidigungsmittel zweckentfremdet wurden. So ist das Haushaltsmesser für den Haushalt bestimmt, kann aber problemlos als Angriffsmittel eingesetzt werden. Das Küchenmesser oder eine Nagelschere kann dann als gefährliches Werkzeug gelten.
Als Polizist hatte ich meine Dienstwaffe dabei – werde ich auch wegen § 244 StGB bestraft?
Ob sich ein Berufswaffenträger, wie ein Polizist, nach § 244 Abs. 1 StGB strafbar macht, wenn er einen Diebstahl begeht und dabei seine Berufswaffe bei sich trägt, ist umstritten. Nach der überwiegenden Auffassung macht er sich wegen Diebstahls mit Waffen strafbar, weil von ihm die gleiche abstrakte Gefahr wie von einem „normalen“ Waffenträger ausgeht.
Ich hatte beim Ladendiebstahl in meinem Rucksack noch eine Holzfälleraxt einstecken. Liegt ein Diebstahl mit einem gefährlichen Werkzeug vor?
Ab wann man von einem gefährlichen Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB ausgehen kann, ist umstritten. Allgemein wird unter einem gefährlichen Werkzeug zunächst ein beweglicher Gegenstand verstanden, der nach Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.
Teilweise wird gefordert, dass unter den konkreten Tatumständen die Vermutung gerechtfertigt ist, dass der Täter den mitgeführten Gegenstand einsetzen wird oder dass überhaupt eine Verwendungsabsicht vorliegt.
Der Bundesgerichtshof fordert eine abstrakte und objektive Einordnung eines Werkzeuges als gefährliches Werkzeug. Dabei wird teilweise gefordert, dass der Gegenstand eine "ohne weiteres ersichtliche Eignung zur Zufügung erheblicher Verletzungen" aufweist. Dies wäre bei einem gespitzten Bleistift zu verneinen. Mit ihm kann man zwar auch erhebliche Verletzungen zufügen, zum Beispiel in dem man damit in die Augen sticht. Er ist aber nicht so ohne weiteres geeignet, erhebliche Verletzungen zuzufügen.
Die Holzfälleraxt ist keine Waffe im Sinne von § 244 StGB, weil sie nicht als Angriffs- oder Verteidigungsmittel bestimmt ist. Sie kann aber jederzeit als Angriffs- und Verteidigungsmittel eingesetzt werden. Es drohen dann auch erhebliche Verletzungen.
Wenn man dieser Ansicht folgt, ist die Holzfälleraxt ein gefährliches Werkzeug. Sie ist offensichtlich dazu geeignet, schwere Verletzungen herbeizuführen. Danach hätte man sich des Diebstahls mit Waffen strafbar gemacht, auch wenn man die Holzfälleraxt nicht verwenden wollte.
Eine andere Meinung fordert eine konkrete Verwendungsabsicht zum Angriff oder der Verteidigung. Die Rechtsprechung verlangt teilweise dagegen nur, dass das Werkzeug bewusst gebrauchsbereit mitgeführt werden muss.
Dies wurde zum Beispiel bei der Mitnahme von normalen Schweizer Taschenmessern oder z.B. Schraubenziehern oder Cuttermessern, eines Tierabwehrsprays oder Pfeffersprays durch Gerichte als gegeben angesehen.
Hier gibt es sehr gute Gelegenheiten für einen Strafverteidiger zu argumentieren. Wenn eine entsprechende Anzeige wegen Ladendiebstahls vorliegt und man einen Gegenstand bei der Tat bei sich geführt hat, der ein gefährliches Werkzeug sein könnte, ist der Gang zum Strafverteidiger dringend anzuraten. Dieser kann dann gegebenenfalls die gegenüber dem einfachen Diebstahl härtere Bestrafung nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen Diebstahl mit Waffen verhindern.
Bei einem Einbruchsdiebstahl habe ich meine festen Arbeitsschutzschuhe angezogen. Können diese ein sonstiges Mittel sein, um den Widerstand einer Person zu überwinden?
Nach § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB wird bestraft, wer sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Unter Werkzeug oder Mittel versteht man alle Gegenstände, die sich zur Anwendung oder zur Drohung mit Gewalt eignen, aber keine erheblichen Körperverletzungen hervorrufen können. Ausschlaggebend ist hier die Verwendungsbestimmung, die im Einzelfall geprüft werden muss.
Wenn man die festen Arbeitsschuhe zum Treten in das Gesicht benutzen will, liegt ein gefährliches Werkzeug vor. Sollte nach der Art der Verwendung keine schweren Verletzungen zu erwarten sein, können die Gegenstände unter § 244 Abs. 1 Nr. 1b fallen. Hier muss dann nachgewiesen werden, dass die Gegenstände verwendet werden sollten, um den Widerstand einer Person zu überwinden.
Unter „Mittel“ fallen bei entsprechender Verwendungsabsicht auch ein Tuch oder zum Beispiel ein Klebeband, wenn es nicht zur Knebelung sondern nur zum fixieren benutzt werden sollte. Eine Knebelung wäre gesundheitsgefährdend und das Tuch oder das Klebeband dann gegebenenfalls ein gefährliches Werkzeug.
Es reicht aus, wenn das Mittel nur im Notfall oder Bedarfsfall eingesetzt werden sollte.
Eine Spielzeugpistole oder andere Scheinwaffen, die bei der Tat gegebenenfalls zur Drohung eingesetzt werden sollen, sind Mittel im Sinne Norm. Wenn man diese bei der Tat bei sich führt, um den Widerstand einer Person zu überwinden, macht man sich des Diebstahls mit Waffen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1b strafbar.
Ich hatte vergessen, dass ich ein Cuttermesser dabei habe –Hilft mir die Unwissenheit?
Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Vorsatz, also Wissen und Wollen, muss sich zunächst auf den einfachen Diebstahl beziehen. Ein Irrtum über ein objektives Tatbestandsmerkmal, z.B. ob die Sache fremd und nicht meine eigene war, lässt den Vorsatz und damit die Strafbarkeit entfallen.
Beim Diebstahl mit Waffen muss dazu Vorsatz darüber hinaus sich auch auf die Waffe oder das gefährliche Werkzeug sowie im Falle des Nr. 1b auch auf die Verwendungsabsicht des Mittels beziehen.
Der Vorsatz muss somit auf die Existenz der Waffe oder des Werkzeuges gerichtet sein. Hat man vergessen, dass sich das Cuttermesser in der Jacke befindet, hat man sich nicht wegen Diebstahls mit Waffen strafbar gemacht. Gleiches gilt, wenn man den Diebstahl gemeinschaftlich begangen hat und man nicht wusste, dass der Mitbeschuldigte ein Messer bei sich führt. Es bliebe in beiden Fällen beim einfachen Diebstahl oder Ladendiebstahl. Unwissenheit schützt in diesem Fall vor Strafe.
Zu berücksichtigen ist, dass Gerichte dazu neigen, derartige Einlassungen nach Möglichkeit als Schutzbehauptung zu werten. Folgt das Gericht nicht der Einlassung, wird es den Beschuldigten wegen Diebstahls mit Waffen (unschuldig) verurteilen.
Wann ist der Diebstahl mit Waffen nur versucht?
Ein Versuch liegt vor, wenn die Tat nicht vollendet wurde. Beim Diebstahl ist die Tat vollendet, wenn die Wegnahme erfolgt ist.
§ 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist ein Qualifikationstatbestand zum einfachen Diebstahl. Im Falle der Nr. 1a oder 1b muss das Werkzeug, die Waffe oder das Mittel zwischen Versuchsbeginn und Vollendung der Wegnahme bei sich geführt werden. Wenn also die Waffe oder das Werkzeug nur auf der Fahrt zum Tatort oder bei Verlassen des Tatorts bei der Flucht bei sich geführt wird, liegt kein Diebstahl mit Waffen sondern nur einfacher Diebstahl vor. Die Waffe oder der (gefährliche) Gegenstand kann auch während des Diebstahls an sich genommen werden, gefunden werden oder selbst das Diebesgut darstellen.
Wenn man zum Beispiel gerade dabei ist, die Beute in die eigene Tasche zu packen und man dabei erwischt wird, während man im Rucksack ein Kampfmesser bei sich führt, ist die Wegnahme noch nicht erfolgt und damit der Diebstahl noch nicht vollendet. Es liegt dann nur ein versuchter Diebstahl mit Waffen vor.
Der Versuch wird in der Regel milder bestraft, so dass es auch in diesen Fällen ratsam ist, einen Strafverteidiger zu konsultieren.
Die reine Vorbereitungshandlung zu einem Diebstahl mit Waffen ist in der Regel nicht strafbar. Beispielsweise ist der Einkauf des Messers, mit dem man am nächsten Tag einen Diebstahl begehen wollte, noch nicht strafbar.
Welche Strafe wird beim Diebstahl mit Waffen verhängt?
Der Strafrahmen des Diebstahls mit Waffen umfasst Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren und ist damit gegenüber dem Strafrahmen des einfachen Diebstahls stark erhöht. Im Gegensatz zum schweren Diebstahl stellt auch der Diebstahl einer geringwerten Sache mit einer Waffe einen Diebstahl mit Waffen dar.
Unter Umständen kommt aber ein Diebstahl mit Waffen in einem minderschweren Fall in Betracht. Die Strafrahmen für einen Diebstahl mit Waffen in einem minderschweren Fall beträgt Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Welche Strafe konkret verhängt wird, hängt von der Schwere der Schuld sowie eventuellen Vorstrafen ab. Deshalb empfiehlt es sich immer, einen Rechtsanwalt für Strafrecht hinzuzuziehen, der im Falle einer nicht anders abwendbaren Verurteilung zumindest immer noch auf eine mildere Strafe hinwirken kann.
Wann brauche ich anwaltliche Hilfe?
Bei einer Anzeige wegen Diebstahls oder Diebstahls mit Waffen sollten Sie vorerst keine Angaben machen, um sich selbst nicht unnötig zu belasten. Aufgrund des hohen Strafmaßes beim Diebstahl mit Waffen ist der Gang zum Strafverteidiger dringend anzuraten. Polizeiliche Vorladungen als Beschuldigter müssen Sie nicht Folge leisten. Ihr Schweigen wird Ihnen nicht negativ ausgelegt werden. Ein Strafverteidiger wird Akteneinsicht nehmen, um die Beweislage und Rechtslage einschätzen zu können. Danach kann die beste Verteidigungsstrategie gewählt werden. Gegebenenfalls ist im Vorverfahren schon eine Einstellung des Verfahrens möglich. Auch bei einer Verurteilung kann der Strafverteidiger auf eine milde Strafe oder den Verzicht auf Nebenstrafen hinwirken.