Notwehr

Nicht jede Körperverletzung oder jedes Tötungsdelikt führt zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Die Rechtswidrigkeit einer etwaigen Körperverletzungs- oder Tötungshandlung entfällt, wenn man aus Notwehr gem. § 32 StGB handelt.

Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin, erklärt Ihnen im Folgenden die Voraussetzungen einer Notwehr.

Gem. § 32 StGB ist Notwehr die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Dritten abzuwenden.

1. Voraussetzungen der Notwehr

Um durch Notwehr gerechtfertigt zu sein, müssen eine Notwehrlage und eine Notwehrhandlung vorliegen.

2. Notwehrlage

Eine Notwehrlage liegt dann vor, wenn man sich mit einem gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff konfrontiert sieht. Es reicht aber auch aus, dass ein Dritter bedroht wird. Man spricht dann von Nothilfe.

Ein notwehrauslösender Angriff muss von einem Menschen ausgehen. Daher sind Angriffe von Tieren nur erfasst, wenn sie als Werkzeug eines Menschen eingesetzt werden. Ein Beispiel wäre, dass jemand seinen Hund auf eine andere Person hetzt. Gegenwärtig ist ein Angriff von dem Moment an, in dem eine Rechtsgutsverletzung unmittelbar bevorsteht. Man muss also nicht warten, bis die Verletzung tatsächlich eingetreten ist. Holt jemand zum Schlag aus, um Sie ins Gesicht zu schlagen, so ist dies schon ein gegenwärtiger Angriff, auch wenn Sie noch nicht getroffen wurden. Sie dürfen sich bereits zur Wehr setzen. Hierbei dürfen Sie in der Regel z.B. Ihr Pfefferspray einsetzen.

3. Erforderlichkeit und Gebotenheit der Notwehr

Grundsätzlich braucht das Recht dem Unrecht nicht zu weichen. Sobald man angegriffen wird, darf man sich innerhalb bestimmter Grenzen verteidigen. Die Verteidigungshandlung muss aber erforderlich und geboten sein.

Erforderlich ist die Notwehrhandlung dann, wenn sie geeignet ist, den Angriff endgültig abzuwehren. Stehen dem Angegriffenen mehrere geeignete Verteidigungsmittel zur Verfügung, so verlangt die Erforderlichkeit die Anwendung des mildesten unter den gleich geeigneten Mitteln. Wer beispielsweise einen Angriff durch einen Faustschlag abwehren kann, überschreitet die Grenzen der Notwehr, wenn er dem Angreifer ein Messer in den Bauch sticht. Ist jedoch der Messereinsatz aus der Sicht eines Dritten notwendig gewesen, um den Angriff abzuwehren, weil der Faustschlag allein den Angriff nicht unbedingt abgewehrt hätte, so wäre dies wiederum von der Notwehr umfasst. Der Angegriffene muss regelmäßig kein Risiko in Kauf nehmen.

Die Notwehrhandlung muss darüber hinaus auch geboten sein. Es gibt verschiedene Beispiele, in denen es zweifelhaft erscheinen kann, ob dies der Fall ist. Wird beispielsweise ein Erwachsener von einem Kind angegriffen, so ist die Notwehrhandlung nur dann geboten, wenn ein Ausweichen nicht möglich ist.

Ein anderer Fall wären sogenannte Bagatellangriffe. Drängelt sich jemand zum Beispiel in einer Warteschlange vor und schubst dabei einen anderen weg, so ist der Geschubste nicht durch Notwehr gerechtfertigt, wenn er den Drängler deswegen schlägt.

Genauso gelten Einschränkungen bei Notwehrsituationen zwischen Personen, die in einem engen persönlichen Verhältnis zu einander stehen. Ein solcher Fall läge zum Beispiel bei Familienstreitigkeiten vor.

4. Notwehrprovokation

Ein besonderer Fall ist dann gegeben, wenn man den Angriff selbst provoziert hat. Dabei ist zwischen zwei unterschiedlichen Situationen zu unterscheiden. Provoziert jemand einen Angriff mit dem Ziel, den anderen unter dem Deckmantel der Notwehr mal eine richtige Tracht Prügel zu verpassen, so liegt keine Notwehr vor. Es kann aber auch Fälle geben, in denen man einen Angriff ohne versteckte Absichten provoziert, beispielsweise durch eine üble Beleidigung. Schlägt der Beleidigte dann zu, so ist der Angegriffene verpflichtet, zuerst zu versuchen, dem Angriff auszuweichen. Ist dies nicht möglich, so darf er zunächst nur rein defensive Schutzhandlungen vornehmen. Erst wenn auch dies nicht ausreicht, den Angriff abzuwehren, ist man berechtigt auch aktiv Gegenwehr zu leisten.

5. Subjektives Rechtfertigungselement bei Notwehr

Neben den objektiven Voraussetzungen muss derjenige, der sich auf das Notwehrrecht berufen möchte, mit Notwehrwillen handeln. Dies setzt eine bewusste Verteidigung gegen den Angriff voraus.

6. Verteidigung bei Notwehrsituation – Hilfe durch Rechtsanwalt

Die Verteidigung im Rahmen einer Notwehr ist schwieriger, als regelmäßig von Mandanten zunächst angenommen. Es reicht für einen Freispruch in der Regel nicht, dass man sich einfach nur auf die Notwehr beruft. Vielmehr ist erforderlich, den unmittelbaren Beginn einer Auseinandersetzung minutiös darzustellen. Aus dieser Darstellung muss hervorgehen, dass ein körperlicher Angriff durch den Gegenüber unmittelbar bevorstand oder bereits begonnen hatte. Erst dann darf die eigene Verteidigungshandlung einsetzen.

Rechtsanwalt Dietrich verteidigt häufig Mandanten, die sich auf Notwehr berufen. Regelmäßig gibt Rechtsanwalt Dietrich nach Akteneinsicht eine schriftliche Stellungnahme ab, in welcher er auf die Voraussetzungen der Notwehr besonders sorgfältig eingeht. Normalerweise muss sich hierbei der Mandant nicht selber mündlich äußern. Aus anwaltlicher Sicht ist dringen davon abzuraten, im Falle einer Notwehr selbständige Angaben bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft zu machen Vielmehr sollten Sie sich unmittelbar nachdem Sie Kenntnis erlangt haben, dass gegen Sie eine Strafanzeige erstattet wurde, an einen Rechtsanwalt wenden.